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FEMALE MOBILITY

25.02.2021

"Frauen und ihre Mobilität bringen ein dringend notwendigen Perspektivwechsel. Quantitative und qualitative Daten inspirieren, um Mobilität nachhaltiger und inklusiver zu gestalten." Lieke Ypma

Mobilität ist nicht gender-neutral, sondern stark von der männlichen Sichtweise geprägt. Zum einen liegt es an gesellschaftlichen Stereotypen und Rollenzuschreibungen, die wir von klein auf erlernen. Diese beeinflussen uns in unserer Betrachtung von typisch weiblich und typisch männlich. Zum anderen arbeiten im Verkehrssektor nur 22% Frauen. Die männliche und ebenfalls stereotypisch technische Sichtweise dominiert daher die Mobilitätsplanung.

 

Dabei wissen wir, Frauen nutzen Mobilitätsangebote anders als Männer. Sie haben andere Bedürfnisse und Voraussetzungen:

  • Frauen leisten immer noch den Großteil der anfallenden Sorgearbeit, auch wenn sich Männer zunehmend an Kinderbetreuung und Angehörigenpflege beteiligen. Versorgung und Pflege von Personen gehen meist mit dem Transport von Einkäufen und der Begleitung von Personen einher. Dadurch bestehen auch höhere Anforderungen an die Barrierefreiheit der Infrastruktur.  

  • Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer. Sie haben aus verschiedenen Gründen einen schlechteren Zugang zu Ressourcen wie Zeit, Geld, Ausbildung und Technologien.

  • Nicht zu vernachlässigen ist auch die spezifische Körpererfahrung von Frauen, wenn sie mobil sind. Beispielsweise ist die Nutzung des öffentlichen Verkehrs in der Nacht für viele Frauen mit Angst vor Übergriffen verbunden.   

 

Aus diesen und weiteren Voraussetzungen resultieren Unterschiede in den Bewegungsmustern und der Verkehrsmittelwahl von Frauen. Daraus können wir Schlüsse für die Gestaltung einer nachhaltigen Mobilität ziehen. Wichtig dabei sind nicht nur die Bedürfnisse von Frauen sondern aller Menschen mit anderen Mobilitätsbedürfnissen als dem reinen Pendeln vom Wohn- zum Arbeitsort. Der Blick auf Female Mobility erlaubt uns, zugrunde liegende Strukturen zu erkennen und Lösungen zu entwickeln, die für alle gut sind - nicht nur für Frauen.

 

FEMALE MOBILITY

10 FAKTEN

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1. MEHR WEGEKETTEN

Menschen, die Sorgearbeit leisten, legen häufiger Wegeketten statt einfachen Pendelstrecken zurück. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie auf dem Weg von der Arbeit nach Hause noch mehrere Stopps einlegen, wie an der Pflegeeinrichtung, am Supermarkt und am Sportverein des Kindes. Diese Stopps befinden sich meist im näheren Wohnumfeld. Dementsprechend sind Frauen und alle, die Sorgearbeit leisten, stärker auf engmaschige Fuß- und Radwege angewiesen.

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Frauen haben in ihrem alltäglichen Mobilitätsverhalten eine geringere Reichweite als Männer. Dies liegt u.a. an der im Wohnumfeld ausgeführten Sorgearbeit. Dadurch wählen Frauen eher Jobs im näheren Wohnumfeld, um die unbezahlte Arbeit erledigen zu können. Männer fahren aufgrund der längeren Arbeitswege im Schnitt doppelt so weit wie Frauen. In Österreich auf dem Land finden 20% der Frauen schwierig einen Job deswegen, versus 13% der Männer.

2.  Kürzere Strecken in Wohnortnähe
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In den meisten Familien mit Auto, wird dieses im alltäglichen Gebrauch häufiger vom Mann genutzt. Sofern vorhanden, steht das  Zweitauto dann meist der Frau zur Verfügung. Laut Kraftfahrtbundesamt sind 62 % der Autos auf Männer zugelassen und nur 38 % auf Frauen. Gleichzeitig sind 53% der ÖPNV-Nutzerinnen in Deutschland Frauen - weltweit sind es sogar 66 %.

3. Mehr ÖPNV - weniger Auto
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Frauen haben hohe Anforderungen an Mobilität und seltener Zugang zu einem Auto. Daher sind sie häufig multimodal unterwegs. Sie nutzen je nach Wegezweck das jeweils für sie am besten geeignete Verkehrsmittel: zu Fuß zum Einkaufen, mit den Kindern das Auto und zum Büro mit Bus oder Bahn.

4. Mehr Multimodal
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Menschen, die unbezahlte mit bezahlter Arbeit kombinieren, haben einen sehr komplexen Alltag. Ihr Anspruch an Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit ist sehr hoch und ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Verkehrsmittels. Die Kinder müssen pünktlich in der Schule sein und auch sie selbst beim Termin im Büro. Daher sind viele aktuelle Mobilitätsangebote wie Sharing-Services für die Nutzerinnen unattraktiv.

5. Unter Zeitdruck mobil
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Frauen fühlen sich im öffentlichen Raum und im ÖPNV öfter unsicher. Sie befürworten daher auch eher vermehrte Kontrollen und Sicherheitspersonal im öffentlichen Verkehr. Damit Frauen sich sicher fühlen, ist auch die letzte Meile wichtig, d.h. der Fußweg von der U-Bahn-Station nach Hause. Studien zufolge fühlen sich 1 von 3 Frauen unsicher auf der Straße.

6. Höheres Sicherheitsbedürfnis
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Die Sicherheit in Fahrzeugen seit der Erfindung von Crash Test-Puppen an durchschnitts-männlichen Modellen überprüft. Puppen mit typisch weiblichen Attributen werden häufig nur auf der Beifahrerinnen-Seite eingesetzt. Dies führt dazu, dass Frauen bzw. kleinere Menschen bei Unfällen deutlich höher gefährdet sind. Wird eine Frau in einen Autounfall verwickelt, ist ihr Risiko schwer verletzt zu werden 47 % höher als das eines Mannes, das Risiko einer mittelschweren Verletzung ist um 71 % erhöht.

7. Höheres Verletzungsrisiko
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Frauen nutzen weniger häufig neue Mobilitätsangebote wie Carsharing oder Ridepooling aber auch Mikromobilitätsangebote wie e-Scootersharing. Diese sind für den Alltag vieler Frauen nicht praktikabel. Gerade die Begleitung von Kindern ist mit solchen Angeboten kaum oder gar nicht möglich. Frauen und ihre Bedürfnisse werden selten in die Entwicklung innovativer Mobilitätsangebote einbezogen. Es zeigt sich ein klar männlich dominiertes Marktsegment. Zum Beispiel sind lediglich 18,75% der User von Carsharing Frauen.

8. Kaum Nutzung neuer Mobilitätsangebote
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Viele Städte sind sternförmig geplant und aufgebaut. Die Verkehrsverbindungen führen von den Wohngebieten im Vorort zur Arbeitsstätte in der Innenstadt. Diese Art der Infrastruktur ist nur für eine kleine Gruppe pendelnder meist männlicher Personen optimal. In einigen Städten wird dieses Denken bereits umgedreht, zum Beispiel mit dem Konzept der Superblocks in Barcelona oder der 15min-City in Paris.

9. Stadt der Männer
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10. Priorität Autoverkehr

Das (männliche) Auto und die dazugehörige Infrastruktur werden häufig zu Lasten aller anderen Verkehrsteilnehmenden bevorzugt. Zum Beispiel werden beim Schneeräumen in Deutschland Autostraßen priorisiert - obwohl die Unfallgefahr und Anstrengung für Menschen zu Fuß und Radfahrende auf ungeräumten Wegen ungleich größer ist. Im schwedischen Karlskoga wurde bei der Schneeräumung den Bürgersteigen Vorrang gegenüber den autobefahrenen Straßen gegeben. Die Unfälle von zu Fuß Gehenden sind deutlich zurückgegangen. Obwohl die Kosten für die Reinigung gleich blieben, konnten die Kosten für das Gesundheitssystem deutlich reduziert werden. Die neue Priorisierung hat also gesundheitlich und finanziell positive Effekte für die gesamte Gesellschaft gebracht.

Mobilität für alle braucht vielfältige Perspektiven

Vielfältige Perspektiven auf Mobilität helfen uns allen. Um inklusive Angebote zu schaffen, brauchen wir eine nutzungszentrierte Mobilitätsplanung, die auf korrekt erhobenen Daten basiert. Viele dieser Daten sind seit langem bekannt, werden aber in der Umsetzung nicht genügend beachtet. Kriterien für die Arbeit mit Nutzer*innen können helfen, Vielfältigkeit sicher zu stellen. Vielfältige Perspektiven erreichen wir auch, wenn wir auf Diversität in den Teams und bei Entscheidenden setzen.

 

Am Ende profitiert die gesamte Gesellschaft. Wenn wir wirklich nutzungsbasierte Mobilitätsangebote schaffen, tragen wir zu Teilhabe, Daseinsvorsorge und sozialer Gerechtigkeit bei.

 

Die zehn vorgestellten Fakten zeigen nur einen kleinen Ausschnitt der Realität.  Frauen sind keine homogene Gruppe, sondern in ihren Bedürfnissen sehr verschieden. Durch die Einbeziehung weiblicher Perspektiven können wir auf diese Verschiedenheiten menschlicher Mobilitätsbedürfnisse aufmerksam machen.

Illustrationen von Heloise Villoteau

Co-Founder

Impact Strategy Firm

HELLO IMPACT

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Nachhaltige Mobilität lässt sich nur durch Kollaboration umsetzen. Wenn wir die Perspektiven der Anderen einnehmen können, öffnet sich der Weg zu Innovation.

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Geschäftsführerin AEM Institute GmbH und Mobilitätsexpertin für Gender und innovative Mobilitätsangebote

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Frauen sind keine schutzbedürftige Usergroup, nur weil sie nicht dem männlichen Standard entsprechen. Bei der Entwicklung von Mobilitätsangeboten sind Gender und Diversity von Anfang an mitzudenken.

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Beratung und Facilitation für gesellschaftliche Transformationsprozesse und Aktivistin für inklusive Mobilität

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Eine feministische Perspektive auf Verkehrspolitik hilft uns dabei, Mobilitätswende für alle zugänglich zu machen.

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Director of Human-Centered Innovation

VORN Strategy Consulting

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Nur wenn wir die Bedürfnisse der einzelnen User verstehen, können wir innovative und nachhaltige Mobilität entwickeln, von der alle profitieren.

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